Rohmaner Dorfchronik aufgezeichnet von Erich Trzaska.
Aufgezeichnet 1972
“Rohmanen, ein Dorf im Kreis Ortelsburg in Ostpeußen”
Das Dorf Rohmanen lag von der russischen(später polnischen) Grenze etwa 35 km und von der Kreisstadt Ortelsburg
ca. 3,5 km entfernt. Die Fremden nennen es jetzt Romany. Die Ortschaft ist in den Damerauer Höhenzug eingebettet,
dessen höchste Erhebung in der Rohmaner Gemarkung westlich vom Dorf 210 Meter über dem Meeresspiegel betrug.
Etwa 2 km südlich davon lag in einer Talmulde, deren Ränder von Kiefern bewachsen waren, der Rohmaner See, den die
Rohmaner >Romanek< nannten. Er bedeckte eine Fläche von ca. 50 Morgen. Mitten im Dorf befand sich ein Teich in der
Größe von ca.5 Morgen, der dem Ort einen malerischen Anblick verlieh.
Die sandigen Höhen waren zum Teil mit Kiefernwäldchen bewachsen. Eine ackerbauliche Nutzung derselben war nicht
lohnend, so daß man trotz Ackermangel von einer Waldrodung Abstand nahm. Zur Dorfgemakung gehörten insgesamt
3641 Morgen. Rohmanen dürfte eine alte Prussensiedlung gewesen sein und früher >Rome< geheißen haben. Urkundlich
erwähnt wurde die Siedlung als dem Ritter Peter Myrawitz im Jahre 1399 mit 5 zinsfreien Hufen zum Schulzenamt,
dazu einem Schank - Brau - und Brennrecht, sowie freier Fischerei im Rohmaner See >nur zur eigenen Notdurft und
nicht zum Verkaufen< übereignet wurden mit der Auflage, 45 Hufen mit Bauern zu besetzen. Trotz fünf verbriefter
Freijahre konnten im Verlauf von ca. 30 Jahren nur acht Wirte angesiedelt werden.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts waren nur zwölf Hufen besetzt. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden immer noch
35 Hufen nicht bearbeitet. Die Bauern waren so arm, das die Anlieger am Rohmaner See den jährlichen Zins für das
ihnen verliehene Nutzungs- und Fischereirecht in Höhe von 6,- Mark nicht bezahlen konnten. Die Zahlung dieses
Betrages und die Rechte übernahm der damalige Besitzer des Gutes Frenzken von Halle, der sie dann auch bis nach
Beendigung des ersten Weltkrieges nutzen konnte.
Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts konnte das ganze Land aufgesiedelt werden.Die weiteren Schulzen sind nur
zum Teil bekannt. Das Amt und die Sitzstelle hat im 18. Jahrhundert ein Lemke und im 19. Jahrhundert ein Fomferra
verwaltet. Die Vornamen diese Männer sind nicht mehr bekannt. Die Nachfahren dieses Fomferra waren in Rohmanen als
Bauern noch bis zur Vertreibung ansässig.
Im Jahre 1886 kaufte der Kaufmann Friedrich Trzaska die Sitzstelle, die im Jahre 1399 dem
Ritter Peter Myrawitz verliehen wurde, von dem Wirt Fomferra, dazu 12 Morgen Land am Weg
nach Kaspersguth. Der Wirt Fomferra war infolge besonderer Umstände gezwungen noch weitere
Teile seines umfangreichen Besitzes zu verkaufen. Er soll ein bärenstarker Mann und auch kein
Freund von Traurigkeit gewesen sein. So hatte er einmal eine Wette abgeschlossen, daß er ein
Pferd umwerfen kann. Er hat es dadurch zuwege gebracht, indem er sich unter das Pferd stellte
mit Schulter und Rücken dieses anhob und auf die Seite kippte.
Gemeindevorsteher war dann der Bauer Wilhelm Biella und danach anschlieáend bis zum ersten Weltkrieg sein Sohn
Friedrich Biella. Nachdem Friedrich Biella am ersten Mobilmachungs eingezogen wurde übernahm das Amt der erste
Schöffe Adam Deptolla. Nach dem ersten Weltkrieg amtierten dann noch die Bauern Wilhelm Pilath, Michael Rogalla
und Michael Kownatzki. Als letzter Bürgermeister, bis zur Vertreibung war der Bauer und Fischereipächter
Adam Glitza tätig.
Der Ackerboden war nur mittelmäßig und warf keine großen Erträge ab. Dafür waren Steine reichlich
vorhanden, aus denen man aber nur schwer Brot machen konnte. Um den Boden besser
bewirtschaften zu können wurden dieselben vergraben. Ein Arbeiter erhielt in den achtziger Jahren
des 19. Jahrhunderts 0,50 Goldmark wenn er etwa 2 cbm Steine zusammengetragen und so tief
vergraben hatte, daß man darüber ungehindert pflügen konnte. Steine wurden auch zu Steinhalden
auf den Feldern und später auf Wegrainen zusammengefahren. Als zum Ende des 19. Jahrhunderts
die Chaussee von Ostelsburg über Rohmanen - Rheinswein - Kobulten nach Bischofsburg gebaut
wurde, konnten die Rohmaner Bauern zum ersten Mal größere Mengen Steine dazu liefern. Für
einen cbm Steine zahlte die Verwaltung damals je nach Entfernung 0,30 bis 0,50 Goldmark. Trotz
des niedrigen Preises wurden emsig Steine angefahren, da eine feste Straße viele Vorteile brachte.
War doch bis dahin bei schweren Lasten oft ein Vorspann von zwölf Ochsen nötig um den Berg
am Rohmaner Friedhof zu überwinden.
Durch die Chaussee konnte auch das Hinterland besser erschlossen werden. Der Verkehr nahm
stark zu. Bis aus dem Kreis Sensburg haben Fuhrleute, Viehhändler und andere Reisende oft im
Gasthof Friedrich Trzaska, der über eine große Einfahrt nebst Gastställen verfügte, übernachtet.
Fremdenbetten waren damals noch nicht vorhanden. Man schlief im Schankraum, am liebsten auf
Erbsenstroh. Dafür brauchten die Gäste auch nichts zubezahlen. Gastställe waren damals für
Gastwirtschaften vorgeschrieben. Gendarmen achteten darauf daß die Gastställe von Zeit zu Zeit gekälkt
und auch sonst sauber gehalten wurden.
Auf der Rohmaner Gemarkung wurden auch Kalksteine gefunden.Was lag näher als zum Brennen
derselben Öfen herzurichten. In vier solcher Öfen wurde das Kalkgestein gebrannt. Das fertige
Produkt wurde dann nach Ortelsburg und sogar in die weitere Umgebung verkauft. Der Transport
wurde damals noch mit Ochsengespannen durchgeführt. Das Ortelsburger Gericht, das Gefängnis
und das Lehrerseminar sind mit Rohmaner Kalk gebaut worden.
Einzelne Wirte nutzten die Lehmvorkommen um selbst Ziegeln zu brennen. Zuvor mußte der Lehm
mit Ochsen durchgearbeitet werden, von Hand in Form gestrichen und dann gebrannt werden. Für
einen Ofen wurden jeweils zwölf Raummeter Holz benötigt. So konnte man nach und nach die Holz
Häuser durch massive Bauten ersetzen. Die Ställe wurden zumeist aus Feldsteinen errichtet, die
geschickte Maurer zu schönen Quadern(Plinten) geformt hatten. Die Scheunen wurden aus Holz
als Bindewerk mit Bretterverkleidung und Pfannendächern erstellt. Bis zum Beginn des 20. Jahr
hunderts war in Rohmanen ein Töpfereibetrieb vorhanden, der auf dem Grundstück des Johann
Dembek Schüsseln, Töpfe und sogar bunte Ofenkacheln herstellte.
Um die Jahrhundertwende blühte der Ort auf. Drei Lehrer unterrichteten in drei Klassen zu je
Abteilungen. Die Kinder von Kaspersguth und Eichtal mußten in Rohmanen am Unterricht teilnehmen.
Erst nach dem ersten Weltkrieg erhielt Kaspersguth eine eigene Schule. Unterrichtet hat dann dort
der Lehrer Gehrke.
Der erste Weltkrieg unterbrach die friedliche Entwicklung des Ortes. Am ersten Mobilmachungstag
eilten alle gedienten Männer zu ihren Truppenteilen. Die zurückgebliebenen Einwohner schauten
sorgenvoll in die Zukunft, zumal Grenzbewohner von starken Russenverbänden zuberichten wußten
Am 22. August 1914 drangen die Russen auch in Rohmanen ein. Der größte Teil der Bewohner war
geflüchtet. Die zurückgebliebenen hatten unter der fremden Besatzung sehr zu leiden. Fünf Zivilisten,
darunter der Lehrer Müller und sein Sohn Alfred wurden, angeblich wegen Spionage erschossen.
Ein Knecht des Bauern Wilhelm Spittka ist während eines Gefechts, beim Wasserholen für deutsche
Soldaten, gefallen. Am Rande der Tannenbergschlacht war auch um Rohmanen heftig gekämpft
worden. Zwölf Gehöfte und die Wirtschaftsgebäude von drei weiteren Anwesen waren in Schutt und
Asche gelegt worden. In diesem Gefecht sind 19 Russen, unter ihnen ein Offizier, gefallen und
fünfzig verwundet worden. Die Deutschen hatten nur einen Toten zu beklagen. Etwa 180 Russen
mußten den Weg in die Gefangenschaft antreten. Bereits im Jahre 1916 wurden die Gefallenen
exhumiert und auf einem Ehrenfriedhof würdevoll bestattet.
Die Dorfbewohner waren zum Teil bereits gleich nach dem Gefecht zurückgekehrt und retteten was
noch zu retten war. Noch im selben Jahr wurde mit dem Aufräumen der Ruinen begonnen, während
im darauf folgenden der Wiederaufbau in Angriff genommen wurde. Bis Ende 1917 waren schon alle
Schäden beseitigt. Mit gegenseitiger kostenloser Hilfe der Bewohner des Ortes, dem großzügigen
Entgegenkommen und ausreichender Entschädigung noch während des Krieges durch die kaiserlichen
Behörden ist es gelungen die Lücken die der erste Weltkrieg in Rohmanen hinterlassen hat,
wieder mit neuen Gebäuden zu füllen.
Der Krieg hatte auch vielen Rohmaner Familien Blutopfer abverlangt.. Folgende 24 Männer haben
ihre Treue zu Heimat und Vaterland mit dem Tode besiegelt:
August Baran, Wilhelm Bork, Gustav Dembek, Karl Fomferra, Gustav Glahs, Gloddeck(Vorname nicht bekannt),
Gottlieb Jorzik, Gottlieb Kownatzki, Gustav Kiy, Wilhelm Lissek, Fritz Leyk,
Lekzik, Friedrich Nadrowski, Gustav Nickel, Johann Ollech, Willy Rohman, Johann Resonnek,
Friedrich Rattay, Gustav Specktor, Otto Trzaska, Emil Tulowitzki, Johann Welt, August Welt, und
Friedrich Wittkowski.
Die aus dem Krieg zurckgekehrten Männer packten wieder kräftig zu. Die landwirtschaftlichen und
die wenigen handwerklichen Betriebe wurden modernisiert. Im Jahre 1921 konnte eine Entwässer-
ungsgenossenschaft gegründet werden. Die Ernteerträge wurden dadurch erheblich gesteigert.
Der Kaufmann Fritz Trzaska hatte einen modernen Kaufladen und eine sehr einladende Gastwirtschaft
mit einem großen Saal gebaut, der für das aufblühende Vereinsleben dringend erforderlich war.
Am 11. Juli 1920 wurde auch in Rohmanen abgestimmt. Für Polen wurde keine einzige Stimme abgegeben.
Eine in ihrem Deutschtum schwankend gewordene Familie wurde am Vorabend durch die Dorfjugend
mit dem Lied >Ich bin ein Preuße< daran erinnert, daß auch sie zu unserem Volke gehören.
Im Jahre 1896 hat der Gemeindevorsteher Friedrich Biella die freiwillige Feuerwehr gegründet und
auch angeführt. Nach dem ersten Weltkrieg übernahm der Brandmeister Wilhelm Pillath die Führung.
Sein Stellvertreter war der Landwirt August Linka. 1924 gründete der Kaufmann Fritz Trzaska einen
Kleinkaliber-Schützenverein mit Unterstützung des Oberleutnants a. D. Haugwitz aus Ortelsburg.
Neben der Pflege der Geselligkeit sollte der Verein auch der Wehrertüchtigung dienen, da Drohrufe
jenseits der Grenze nicht zu Überhören waren. Im Winter wurden Feste veranstaltet. Theateraufführungen
unter der Leitung des Lehrers Alfred Dorka fanden stets guten Anklang. Bei solchen Anlässen
wurde auch bis weit in den frühen Morgen das Tanzbein geschwungen. Polizeistunde? Man nahm
damals nicht so genau.
Der Lehrer Alfred Dorka richtete auf dem Berg am Rohmaner See eine Rodelbahn ein, die auch von
interessierten Herren aus Ortelsburg gefördert wurde. Sie ist jedoch bald wieder in Vergessenheit
geraten. 1931 erhielt Rohmanen eine Poststelle, die von der Kauffrau Marie Trzaska geleitet wurde.
Bereits im Jahre 1921 war eine Fernsprechstelle in Betrieb genommen worden. Eine Unfallstelle des
Deutschen Roten Kreuzes wurde bei dem Bauer Gustav Rattay eingerichtet, der verschiedene Kurse
absolviert hatte und stets sehr einsatzfreudig war. Als er zu Beginn des zweiten Weltkrieges als
Sanitätsunteroffizier zu einer aktiven Einheit eingezogen wurde, übernahm die Unfallstelle die
Kauffrau Marie Trzaska.
Rohmanen gehörte zum Kirchspiel Ortelsburg und hatte kein eigenes Gotteshaus. Um den weiten
Weg zu vermeiden, versammelten sich ältere Menschen zu Gottesdiensten in der Schule oder auch
in anderen privaten Räumlichkeiten. Ein unter Leitung des Krankenkassenbeamten Willy Dorman
stehender Posaunenchor trug zur geistlichen Erbauung bei. Junge Mädchen hatten sich zu einem
Gitarrenchor zusammengeschlossen. Frau Emma Slopianka sorgte dafür daß auch hier gute Arbeit
geleistet wurde, während Christel Opretzka die Kleinen in einer Sonntagsschule unterrichtete.
Weihnachten 1930 verstarb plötzlich an einem Herzleiden der Kaufmann und Bezirkskommissar der
Feuersozietät für die Provinz Ostpreußen Fritz Trzaska im Alter von 37 Jahren. Sein Tod hatte alle
seine Gönner tief getroffen. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen ihm ein würdiges Begräbnis zu
gestalten. Sein Nachfolger in der Geschäftsleitung und auch als Feuerkommissar wurde sein Bruder
Ernst Trzaska, der deswegen seine gute Position in Osterode aufgegeben hatte. Ernst Trzaska setzte
sich sehr für das Vereinsleben ein und sorgte, dank seiner guten Verbindungen dafür, daß die Rohmaner
Feuerwehr mit neuem Gerät und neuen Uniformen ausgerüstet wurde. Im Geschäft wurde er
tatkräftig von seiner Schwester Marie unterstützt. Als zu Beginn des zweiten Weltkrieges Ernst Trzaska
zur Wehrmacht eingezogen wurde lastete auf ihr eine große Verantwortung. Einquartierungen, ins besondere
vor dem Rußlandfeldzug, rissen nicht ab. Fast immer bevorzugten die Stäbe wegen der
vielen, gut ausgestatteten Räume ihr Geschäftsgrundstück. Wegen ihrem unermüdlichen Schaffen,
auch im sozialen Bereich, wurde sie von dem Herrn Landrat von Poser, im Auftrage der Reichsregierung
mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet. Sie starb im Jahre 1961 in der Heimat. Dort hat sie sich bis
zuletzt für den Erhalt des Deutschtums in Ostpreußen eingesetzt.
Für den von den Russen 1914 erschossenen Hauptlehrer Müller wurde der Hauptlehrer Aron nach
Rohmanen versetzt. Während des ersten Weltkrieges mußte er fast stets allein den ganzen Schulbetrieb
aufrecht erhalten und dazu noch das Schulland bewirtschaften. Seine Schaffenskraft war schier
unerschöpflich. Bald nach dem Kriege wurde als zweite Lehrkraft der Lehrer Alfred Dorka nach Rohmanen
versetzt. Er nahm sich der schulentlassenen Jugend besonders an und wurde Vorsitzender vom
Sportverein Rohmanen. Bei dieser Tätigkeit wurde er von Fritz Biella und Ernst Slopianka tatkräftig
unterstützt. Dem Verein traten viele junge Männer bei. Im Sommer wurde Fußball und im Winter zu den
Vereinsfesten Theater gespielt. Der Lehrer Dorka hat dafür viel Mühe aufgewandt. Er war weiterhin
darauf bedacht das kulturelle Niveau zu heben und das Brauchtum zu pflegen. Es hat sich wohl kein
junger Lehrer mit der Gemeinde so verbunden gefühlt wie er. Hier hat er auch seine Lebensgefährtin
kennen gelernt. Am zweiten Weltkrieg hat Lehrer Dorka als Offizier teilgenommen. Im Januar 1945 ist
er in russische Kriegsgefangenschaft geraten, aus der er schwer leidend zurückkehrte und bald
danach verstarb. Alle Rohmaner sprechen noch heute mit allem Respekt von ihm und bewahren ihm
ein ehrendes Andenken. Fritz Biella ist Regierungsdirektor beim Bundesfinanzministerium in Bonn,
Ernst Slopianka war bis zu seiner Pensionierung beim Katasteramt in Bochum angestellt.
Nach dem der Hauptschullehrer Wilhelm Charzinski in den Ruhestand getreten war wurde der Hauptlehrer
Eugen Jobski mit der Leitung der Rohmaner Schule beauftragt. Durch sein ruhiges und
vornehmes Wesen, sowie durch sein gütiges Verhalten hat er sich schnell, nicht nur das Vertrauen seiner
Schüler, sondern auch das Wohlwollen der Eltern erworben. Er hat sich stets in aufopfernder Weise
für die Belange der Gemeinde eingesetzt. Dabei wurde er tatkräftig von seiner Gattin unterstützt.
Nach der Vertreibung hat Eugen Jobski auf Grund seines korrekten Auftretens und seines pädagogischen
Könnens sofort eine Lehrerstelle in Colmar an der Elbe erhalten. Obwohl damals verdrängte Beamte
aus dem Osten nicht gerade mit offenen Armen von der englischen Militärregierung aufgenommen
und angestellt wurden. Der größte Teil mußte oft niedrigste Arbeiten verrichten um das nackte Leben
zu fristen. Eugen Jobski ist vor mehreren Jahren verstorben. Frau Jobski verbringt ihren Lebensabend
im eigenen Haus in Elmshorn. Sie hat trotz ihres vorgeschrittenen Alters noch heute Kontakt zu vielen
Rohmanern und ist ihnen bei der Beschaffung von Urkunden, Anschriften usw. behilflich.
Ortsbauernführer war der Bauer Wilhelm Both. Er hat sich stets für die Belange seines Berufsstandes
höheren Ortes eingesetzt und auch viel für diesen erreicht. Weiter gehörte er dem Vorstand einer
Spar- und Darlehnskasse an. Er hat den Endkampf um Ostpreußen als Offizier einer Volkssturmeinheit
mitgemacht und ist vor mehreren Jahren in Freilassing, in Oberbayern verstorben.
Im Jahre 1935 hat der Justizbeamte Erich Trzaska einen Kriegerverein gegründet. Nach seiner
Versetzung nach Braunschweig hat der Bauer Adam Glitza den Verein geführt. Die Fahnenweihe hatte
seinerzeit der Kreisvorsitzende während eines sehr würdevoll gestalteten Vereinsfestes vorgenommen.
Das Jahr 1944 neigte sich dem Ende. Die Dorfbewohner feierten Weihnachten und Neujahr bereits
gedrückter Stimmung. Waren doch die Russen bereits über die Reichsgrenze eingedrungen. Doch
man hoffte daß sich noch alles zum Guten wenden würde. Bereits Mitte Januar 1945 mahnten
zurückflutende deutsche Soldaten die Zivilbevölkerung die Flucht anzutreten. Sie räumten ihnen, wenn es
möglich war Plätze auf ihren Fahrzeugen ein. Auf diese Weise und mit eigenen Gespannen konnte
der größte Teil der Einwohner das Dorf verlassen. Die kurz danach einrückenden Russen machten
Jagd auf die zurückgebliebenen Bewohner, taten weiblichen Personen jeden Alters Gewalt an und
erschossen jeden der ihnen auch nur geringen Widerstand entgegen setzte. Folgende Personen haben
dabei ihr Leben verloren:
Frau Bednarz(Abbau), Michael Bach, Karl Glitza, Helene Glitza, Adam Ornowski, Adam Rattay,
Karl Sakowski, Max Trzaska, Gustav Wittek, Helmut Wittek und Heinrich Wittkowski. Ein Teil der
Bewohner wurde auf der Flucht von den Russen überrollt. Dabei kam Martha Littek ums Leben. Die meisten
dieser geplagten Menschen konnten erst nach mehreren Monaten unter ständiger Lebensgefahr
nach Hause zurckkehren. Zu Hause fanden sie nichts vor, da die Russen alles mitgenommen hatten,
was zu bewegen war. Räuberische Polen stahlen diesen armen Menschen die letzten Kleidungsstücke.
Den Altbauern Friedrich Willam haben solche Elemente auf dem weg nach Ulrichsee(Seelonken)
überfallen und ihm dabei Rock und Hose geraubt. Als er fast nackend in Ulrichsee ankam erfuhr
er daß seinem Verwandten, daß für ihn vorbereitete Essen von Polen gestohlen worden war. Den
Topf haben sie auch noch mitgenommen.
Aus dem zweiten Weltkrieg sind nachstehende Wehrmachtsangehörige nicht zurückgekehrt:
Wilhelm Biella, Emil Bork, Fritz Brosch, Rudolf Bonk, Gerhard Bonk, Wilhelm Butzek,
Fritz Bednarz, Paul Bednarz, Fritz Dembek, Fritz Dorka, Gustav Deptolla, August Fomferra, Kurt
Fomferra, Karl Ficht, Willy Gallmeister, Fritz Glinka, Fritz Glodeck, Hans Gollan, Erich Glitza,
Willy Janowski, Gerhard Jobski, Erich Kownatzki, Hans Linka, Karl Lekzig, Erich Lemke,
Emil Maczey, Karl Mielewski, Alfred Mielewski, Julius Nickel, Otto Nickel, Gustav Opretzka, Karl Pelkowski,
Willy Rattay, Karl Slopianka, Gerhard Slopianka, Erich Tiborski, Willy Urbanski, Fritz Willam,
Ernst Willam, Paul Wittkowski, Hugo Wiezorrek, Fritz Bonk und Emil Bonk.
Mühsam versuchten die Frauen nach Abzug der Russen eine Ernährungsgrundlage zu schaffen. Mit
dem Spaten wurde Ackerland umgegraben, um wenigstens ein par Kartoffeln pflanzen zu können. Der
übrige Acker verkrautete, Wald samte sich selbst an und Gestrüpp wucherte überall dort wo noch vor
einem Jahr bester Kulturboden gute Erträge abwarf. Die zugewanderten neuen Herren taten nicht viel.
Sie rissen Scheunen und strohgedeckte Holzhäuser ab, um mit dem angefallenen Holz die Öfen zu
heizen. Brennmaterial aus dem Wald zu holen war ihnen zu beschwerlich. Nach und nach kamen auch
vereinzelt Männer aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Energisch versuchten sie ihre Wirtschaften
wieder in Ordnung zu bringen. Es war ein sehr mühsames Unterfangen. Es konnte schon als Fortschritt
angesehen werden, wenn man eine Ziege im Stall hatte und am nächsten Morgen feststellen konnte
daß sie in der Nacht nicht gestohlen worden war.
Der Druck der polnischen Behörden auf die deutsche Bevölkerung wurde immer stärker. Viele
entschlossen sich daher in die Bundesrepublik umzusiedeln. Die meisten Rohmaner fanden in
Nordrhein-Westfalen eine neue Heimat. Ein nicht unbeträchtlicher Teil hat hier schon wieder Fuß gefaßt.
Als einer der ersten Rohmaner hat wohl der Bauer Willy Willam eine Nebenerwerbsstelle gekauft und
bewirtschaftet sie mustergültig. Er hatte es auch in der Heimat durch Fleiß und Ausdauer schon zu
einigem Wohlstand gebracht.
Bei den Ortelsburger Kreistreffen, die zur Zeit in Essen stattfinden, wird immer ein frohes Wiedersehen
gefeiert und die alte Zusammengehörigkeit gepflegt. Bisweilen kreist auch eine Flasche Bärenfang
eigenen Fabrikats durch die Reihen. Doch dies alles kann die Heimat nicht ersetzen. Bleibt nur zu hoffen, daß
Ostpreußen, trotz aller widrigen Umstände doch noch wieder deutsch wird.4>
Gelsenkirchen im Februar 1972.
gezeichnet: Erich Trzaska